Roller Held Stephan König

Der „Roller-Held“ aus dem Münsterland

Headline: Rollerfahrer verfolgt LKW in Wohngebiet – Wie diese Geschichte endet und wer der „Roller-Held aus Oestinghausen“ eigentlich ist, haben wir für euch recherchiert und hier zusammengefasst.

Es klingt wie die Szene aus dem Sonntagskrimi:
Ein sonniger Vormittag in einer beschaulichen Einfamilienhaussiedlung im Münsterland, plötzlich wird die Ruhe durchbrochen. Unter den schockierten Blicken der Anwohner dreht ein LKW gefährliche Schlangenlinien durch das Wohngebiet, bis ein mutiger Nachbar mit Hilfe seines Rollers die Initiative ergreift.

Klingt unglaublich? Dieses Ereignis haben wir uns nicht ausgedacht! Vor ein paar Wochen so geschehen in Oestinghausen. Und weil eine der Hauptrollen an einen Roller ging (wie passend!), ist diese Geschichte für uns bei Racing Planet natürlich besonders interessant. Wir haben den „Helden vom Oistinger Feld“ interviewt und dabei einen echten Rollerliebhaber kennengelernt.

Doch was ist an diesem Vormittag eigentlich passiert?
Die Nachbarschaft von Stephan Koenig ist nicht groß, ein Rondell, mit ca. 60 Einfamilienhäusern. Beschaulich und ruhig. Hier kann man Kinder bedenkenlos auf der Straße spielen lassen.

Aus diesem Grund war der Anblick eines 38-Tonners vor Koenigs Wohnzimmerfenster etwas, das ihn zum stutzen brachte. Aus dem Augenwinkel konnte er den großen Schatten des Fahrzeugs sehen. Koenig war dabei, etwas an seinem Roller zu schrauben und hatte sich auf einen ruhigen Tag eingestellt. Bis er die Schreie seiner Nachbarinnen hörte.

Diese waren bereits auf die Straße gerannt, um den Fahrer des LKWs zum stoppen zu bewegen. Das massive Fahrzeug hatte schon einige Vorgärten verwüstet und einem Auto massive Schäden zugefügt. Der Fahrer schaute zwar die verängstigten Bewohner an, machte aber keinerlei Anstalten, seine Irrfahrt zu beenden.

Stephan Koenig wog kurz seine Optionen ab. Als KFZ-Mechaniker, der beruflich für den Dachumbau von Westfalia Wohnwagen zuständig ist, wusste er sofort, wie er das große Fahrzeug zum stehen bringen kann. Obwohl Koenig ein guter Sprinter ist, war ihm die Gefahr zu groß, den LKW nicht rechtzeitig erreichen zu können. Auch dachte er kurz daran, sich seine Autoschlüssel zu holen und die Verfolgung mit dem PKW aufzunehmen. Doch diese Optionen schieden aus.

„Wenn der LKW auf die Landstraße abgebogen wäre, hätte ich ihn nicht mehr erreichen können!“

Stephan Koenig

Zufällig erwartete er an diesem Tag einen Käufer für den blauen Piaggio TPH50 Roller – den zweiten Helden in dieser Geschichte. Da eine Probefahrt geplant war, ließ Koenig den Roller in seiner Auffahrt gerade warmlaufen. Ein glücklicher Umstand, denn so konnte er sich auf das Fahrzeug schwingen und den LKW ohne Probleme überholen. „Der Roller fährt bis zu 70km/h, damit konnte ich den LKW einholen.“ Etwas unsanft stellte Koenig den Roller an einem Zaun ab und kletterte auf den fahrenden LKW. Mit ein paar geübten Handgriffen an den Bremsschläuchen aktivierte Koenig das Notbremssystem des Fahrzeugs.

Im Anschluss daran kletterte der mutige Rollerfahrer zum Fahrerhaus, um den Zündschlüssel zu ziehen. Der Fahrer des LKWs wollte jedoch schon wieder den ersten Gang einlegen, als es Koenig in einem zweiten Anlauf gelang, den Schlüssel zu entfernen und den LKW damit endgültig zum Stehen zu bringen.

Die Polizei vernahm den Fahrer, der immer noch wie benommen wirkte. Und hier wurde Koenig zum zweiten Mal an diesem Tag zum Retter. Erst auf sein Drängen hin, riefen die Polizisten einen Rettungswagen. Der LKW-Fahrer wurde schlussendlich mit Verdacht auf Schlaganfall in einem Hubschrauber zum Krankenhaus geflogen. Noch am gleichen Abend bedankten sich der besorgte Spediteur und die Nachbarn bei Koenig für dessen beherztes Eingreifen. Denn auch die Kinder der Siedlung wären in Gefahr gewesen: „Bei denen sind zurzeit die Tretroller ganz angesagt. Die gucken doch dann auch nicht so, wenn sie um die Ecke fahren. Das hätte brenzlich werden können“, sagt Koenig besorgt.

Die Bewohner der Siedlung und der Fahrer des LKWs hatten an diesem Tag gleich mehrere Schutzengel. Wenn Stephan Koenig eine andere Schicht gehabt hätte, wäre niemand in der Straße in der Lage gewesen, die Situation zu entschärfen. Auch der Termin zum Rollerverkauf war ein glücklicher Zufall.

Aber was ist eigentlich aus dem Roller geworden?

„Nur ein paar Kratzer. Der Käufer aus dem Nachbardorf hat sogar 50€ extra bezahlt, weil es sich um den „Heldenroller“ gehandelt hat“.

Stephan Koenig

Bei unserem Interview haben wir schnell festgestellt, dass es sich bei Koenig nicht um einen Gelegenheitsschrauber handelt. Seit 20 Jahren lebt er seine Leidenschaft für Roller. Das fanden wir bei Racing Planet natürlich besonders spannend.

Zum Roller kam Koenig durch den Beruf. Vor gut 15 Jahren arbeitete er bei einem Zweirad-Händler und seitdem begleiten ihn die Roller. Er ist auch kein „Schönwetter-Fahrer“. Bei Wind und Wetter zieht es den 49-jährigen auf die Straße. Er zieht den Roller seinem Auto vor, auch wenn er davon ein paar schöne Exemplare in den Jahren besessen hat. Solange es nicht schneit, fährt Koenig die 34km bis zur Arbeit mit dem Roller.

„Rollerfahren hat mit immer Spaß gemacht.“

Stephan Koenig

Als Vorteile nennt er unter anderem die Flexibilität, keine Parkplatzprobleme und die moderaten Preise für Ersatzteile. Da Koenig selbst schraubt, fallen die Kosten für Reparaturen bei ihm sehr gering aus. In seiner Freizeit kauft der Roller-Held gerne gebrauchte, verunfallte oder einfach kaputte Roller und bringt diese wieder zum Fahren. Oft sind die Roller aus dem Hause Koenig nach der Reparatur höherwertiger als beim Neukauf. In seiner kleinen Werkstatt kann er so ziemlich jedes Problem lösen. Gerne tunt Koenig die Roller und verpasst ihnen eine neue Außenhaut.

Aber auch kompliziertere Arbeiten wie das genaue Abstimmen eines Rollers auf seinen Fahrer, bereiten ihm keine Schwierigkeiten. Koenig kann ganz genau abschätzen, welche Variomatikgewichte in welcher Situation angebracht sind. Zudem „hat er ein paar Pokale in der Garage“, für die Teilnahme an Rennen.

„Roller sind klasse Verkehrsmittel, ich habe da viel Freude mit!“

Stephan Koenig



Sein letzter Umbau war eine schwarze Aprilia SR 50 Factory. Doch wie so oft bekam er ein Angebot für die Maschine, das irgendwann zu gut wurde, um es auszuschlagen. Koenig ist aber jetzt nicht ohne Roller. Eigentlich hat er immer einen für die tägliche Fahrt zur Arbeit und einen, an dem er mit viel Ehrgeiz schraubt und tunt. Eine Leidenschaft, die auch auf seine erwachsene Tochter übergegangen ist. Sie hat sich mit ihrer „Beast Factory“ auf das High-End-Tuning von Ford Focus spezialisiert.

Wir haben uns auch gefragt, was seine Familie zu dieser waghalsigen Verfolgungsjagd sagt. Seine Frau ist das schon gewöhnt. Bei Koenig, „passiert immer mal was“. Mindestens ebenso hoch wie die Abenteuerlust des Familienvaters ist seine Hilfsbereitschaft. Es war ihm völlig egal, ob er sich selbst beim Stoppen des LKWs verletzen könnte. Auch hilft der Mechaniker gern beim Schrauben in der Nachbarschaft oder gibt seine Expertenmeinung beim Kauf einer neuen Maschine hinzu. Ein echter Gewinn für Nachbarn und Kollegen.

Der Medienrummel hat sich schnell wieder gelegt. In der Grundschule seiner Tochter war Koenig eingeladen, bei der Radprüfung zu berichten, wie wichtig ein Helm im Straßenverkehr ist. Hier ist er natürlich ein großer Held.

Stephan Koenig möchte seine kurze Berühmtheit nutzen, um die Menschen zu mehr Zivilcourage aufzurufen. „Jeder kann in seinen Möglichkeiten eingreifen, nicht weggucken, sondern handeln, Courage zeigen!“ Genau diese Einstellung gibt er auch seiner Tochter mit, „Selbst auf dem Schulhof kann man anderen helfen, auch wenn man nur der Lehrerin bescheid gibt.“, so Koenig weiter.

Eine Message, die wir unterstützen. Es hat uns viel Freude bereitet, diesen mutigen Roller-Liebhaber kennenzulernen. Viele Grüße aus Jena ins Münsterland!

Alle Bilder: Stephan Koenig Privat

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